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Sprachensuite für ausländische Ärztinnen und Ärzte

Die Anforderungen an die Vermittlung medizinischer Sprachkompetenz im deutschsprachigen Raum gestaltet sich nicht so trivial, wie es in den diversen Fachzeitschriften und öffentlichen Kommentaren dargestellt wird. Die sprachliche und kulturelle Vielfalt, der man in Deutschland begegnet, stellt nicht nur auf Seiten der Patienten und Patientinnen ein zunehmendes Problem dar, sondern konfrontiert  sowohl das ärztliche als auch das pflegerische Personal mit erheblichen Herausforderungen. Die Dimension der zugrundeliegenden Problematik ist vor allem  der rasanten Geschwindigkeit in den Bereichen ,,Forschung” und ,,Entwicklung” der klinischen Medizin und den verschiedenen Reformen im Gesundheitswesen geschuldet.

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Patienten in Deutschland sind inzwischen nicht mehr nur hilfsbedürftige Menschen, sondern auch Kunden eines Dienstleistungsunternehmens. Die meisten Kliniken in Deutschland sind in Konzernstrukturen eingebunden in denen die Ärzte und das Pflegepersonal den Status des sogenannten Kundenkontaktpersonals wahrnehmen. Mit diesem Status bilden sie die Nahtstelle zum Kunden, also dem Patienten bzw. der Patientin. Ganz im Sinne des Dienstleistungsgedankens werden dem genannten Personenkreis mit dem Status des Kundenkontaktpersonals Aufgaben zugewiesen die im Sinne der Konzernphilosophie umzusetzen sind. Zum einen sollen sie die Klinik in der Außendarstellung repräsentieren und zum anderen die Bedürfnisse der Patienten und Patientinnen befriedigen und das auf einem qualitativ hohem Niveau.


Um im Kontext des Kundenkontaktpersonals zu bleiben, bedeutet Kundenbehandlung im Sinne des Mottos ,,der Kunde ist König”, eigene Ansprüche in der Arbeit zurückzunehmen und permanente Freundlichkeit, Höflichkeit sowie Unterordnung unter Kundenwünsche zu zeigen. Diese Unterordnung erfordert oft ein Einwirken auf die eigene Gefühlsarbeit und ist aufgrund  der vielfach nicht vorhandenen zeitlichen und personellen Ressourcen sowie den vorhandenen finanziellen Restriktionen von dem genannten Personenkreis nicht zu leisten.

In den USA muss jeder ausländische Arzt das berüchtigte amerikanische Medizin-Staatsexamen bestehen, ehe er eine Stelle in der Klinik antreten darf. Und in Schweden, wo die Zugangsvoraussetzungen weniger hoch sind, bekommt jeder zugewanderte Arzt intensiven Sprachunterricht – bis er im Klinikalltag gut zurechtkommt. In Deutschland dagegen ist es ausreichend, wenn ausländische Ärztinnen und Ärzte das Sprachdiplom der Niveaustufe B2 und in Bezug auf die Fachsprache das Niveau C1 entsprechend dem europäischen Referenzrahmen erwerben.

Doch je mehr ausländische Ärzte ins Land strömen, desto klarer wird, dass auch deutsche Kliniken dringend das tun sollten, was in anderen Ländern eine Selbstverständlichkeit ist: Sie müssen die zugewanderten Mediziner integrieren. Nur wenn ihr medizinisches Wissen an den deutschen Klinikalltag angepasst wird, wenn ihnen die Besonderheiten des Gesundheitssystems und die Eigenheiten der Patienten in Deutschland vermittelt werden und, vor allem: Wenn sie wirklich gut Deutsch lernen können, können sie vollwertige Kollegen auf einer deutschen Station in einer deutschen Klinik werden.

Diesem Projekt liegt die Entwicklung einer virtuell-kollaborativen Sprachensuite zugrunde, die sowohl die Aneignung der deutschen medizinischen Sprachkompetenz autodidaktisch im Selbstlernstudium als auch in betreuten Selbstlernsprachkursen ermöglicht. Die Anwendungen dieser Sprachensuite begleitet die ausländische Ärzteschaft in der Entwicklung ihres Sprachlernprozesses schon vor der Einreise nach Deutschland und auch bei der Vorbereitung der Sprachprüfung bei den jeweiligen Ärztekammern. Weiter stellt die in dieser Publikation beschriebene Sprachensuite ein Instrument für Kliniken sowie für Reha- und Pflegeeinrichtungen zur Verfügung, um das medizinische Personal nach Ablegung der Sprachprüfung bei der beruflichen Integration zu begleiten.


Die fachliche Betreuung in diesem Projekt erfolgt durch ein Ärzteteam der Fachrichtungen Orthopädie und Traumatologie unter der Leitung von Dr. med. S. Povoden, Chefärztin der Klinik für Orthopädie und Traumatologie des Helios Klinikums Gifhorn.