Pharmazeutische Betreuung auf Basis des bundeseinheitlichen Medikationsplanes
Viele Patienten nutzen schon jetzt Gesundheits-Apps, die sie bei der Erfassung und dem Verwalten ihrer Gesundheitsparameter unterstützen. Sie werden zur Prävention, Diagnose und therapiebegleitend eingesetzt. Apps motivieren zu gesunder Ernährung, regelmäßigem Trinken und frischer Luft. Sie beherrschen das Erfassen der Herzfrequenz (manuell oder kontaktlos), das Erheben der Sauerstoffsättigung, das erfassen des Blutdruckes und des Blutzuckers sowie das Management der Arzeneimitteltherapie und zahlreicher weiterer Befunde.
In diesem Kontext ist mHealth das Stichwort. Anwendungen in diesem Segment sind vor allem informationslogistische Systeme, die Konnektoren zu moblien Endgeräten zur Verfügung stellen bzw. autonom auf den Endgeräten betrieben werden. MHealth ist folglich eine Informationstechnologie, die behilflich ist, Gesundheitsdienstleistungen und Patienten zu vernetzen.
Gesundheits-Apps lassen sich grob in zwei Bereiche unterteilen. In solche, die Medizinprodukte im Rechtssinne sind und solche, die nicht unter das Medizinprodukterecht fallen. Mit der Medical- Device-Regulation (MDR) besteht nun ein europaweit gültiges Regelwerk, dass Hersteller von Gesundheits-Apps beachten müssen.
Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) erhält der Patient nun auch einen gesetzlichen Anspruch auf eine Gesundheits-App. Die App auf Rezept ist Teil dieses Gesetzes und ist seit 01.01.2020 allgemein gültig. Damit können Ärzte erstmals eine App auf Rezept und somit mobile Gesundheitsdienstleistungen verordnen. So eine Gesundheitdienstleistung ist die pharmazeutische Betreuung. Diese ist weder auf eine einzelne Aufgabe beschränkt, noch fokusiert sie spezielle Patientengruppen. Die Pharmazeutische Betreuung ist somit eine Dienstleistung, die mit der App CSPMEDI-Plan allen, nicht nur den Patienten die entsprechend §31a SGB V darauf Anspruch haben, ein Instrument zum Management ihrer Medikation.
Im DVG hat der Gesetzgeber festgelegt, dass digitale Anwendungen, die vom Arzt verordnet werden, einen positiven Versorgungseffekt nachweisen müssen. Diese unterteilt er in medizinische und strukturverbessernde Effekte. Ein medizinischer Effekt besteht,
- bei einer Verbesserung der Gesundheit, der Verkürzung der Krankheitsdauer, der Verlängerung des Lebens oder einer Verbesserung der Lebensqualität.
Ein strukturverbessernder Effekt, ist laut der Digitale-Anwendungen-Verordnung (DiGAV),
- die Koordination der Behandlungsabläufe, die Ausrichtung der Behandlung (...) an Standards, die Adhärenz (Erreichen von gemeinsam durch den Arzt und Patienten verabredeten Zielen, Erleichterung des Zugangs zur Versorgung, Patientensicherheit, Gesundheitskompetenz, Patientensouveränität, Bewältigung krankheitsbedingter Schwierigkeiten im Alltag, Reduzierung der therapiebedingten Aufwände und Belastungen.
In Bezug auf die positiven Versorgungseffekte ist die App CSPMEDI-Plan den strukturverbessernden Effekten zuzuordnen. Unter dem Dach der pharmazeutischen Betreuung unterstützt sie die Aspekte der Koordination von Behandlungsabläufen, fördert die Therapietreue (Adhärenz), leistet einen Beitrag zur Patientensicherheit, fördert die Aneignung von Gesundheitskompetenz und stärkt somit die Patientensouveränität. Durch die autonome Verwaltung der eigenen Medikation unterstützt die App die Patienten bei der Bewältigung krankeitsbedingter Schwierigkeiten (z.B. Bluthochdruck, Adipositas etc.)
Pharmazeutische Betreuung
Die Pharmazeutische Betreuung auf Basis des bundeseinheitlichen Medikationsplanes ist ein eHealth-Projekt, dass zum Ziel hat, die Erstellung des Medikationsplanes interaktiv und autonom, entsprechend den Vorgabendes § 31a fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V), den Patienten und Patientinnen zur Verfügung zu stellen. Auf Basis der genannten gesetzlichen Grundlagen haben die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung seit Oktober 2016 Anspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan.
Der Nutzennachweis einer Pharmazeutischen Betreuung wurde schon vor mehr als zwei Jahrzehnten erbracht und ist in seinen verschiedenen Facetten durch eine nicht geringe Anzahl an Studien belegt. In einer multizentrischen Studie die 1996 gestartet ist, wurden konkret ältere, multimorbite Patienten angesprochen. Das Ergebnis dieser Studie ist ein Mosaikstein der Nutzenbewertung und bestätigt den positiven Effekt der Pharmazeutischen Betreuung. Zu den hier zugrunde gelegten Zielgrößen der genannten Studie gehörten,
- die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die Patientenadhärenz (Taking-Adhärenz, Timing-Adhärenz,Dosing-Adhärenz ...), das Selbstmanagement der Arzneimitteltherapie, die von Patienten beschriebenen Probleme mit ihrer Medikation (ABP) und die Patientenzufriedenheit.
Diese Zielgrößen lassen sich auch aus den bisher vier erschienenen Aktionsplänen zum bundeseinheitlichen Medikationsplan entnehmen und sind somit auch Grundlage der gesetzlichen Verankerung in § 31a (SGB V) des bundeseinheitlichen Medikationsplanes. Aus diesen Zielgrößen leitet sich auch die Nutzenbewertung der App CSPMEDI-Plan ab. Unter dem Dach der pharmazeutischen Betreuung vereinen sich nicht nur verschiedene Dienste die in der App CSPMEDI-Plan den Patienten/Patientinnen vs. Nutzern/Nutzerinnen zur Verfügung gestellt werden, sondern auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Apothekern und vor allem den Patienten. Die Leitblanken der zuvor angesprochenen Dienste, sind in den vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmenbedingungen (MDR, DVG, DiGAV) sowie den schon genannten Aktionsplänen und Normen festgelegt und somit Grundlage der pharmazeutischen Betreuung. Die Nutzerfreundlichkeit und somit der Benefit für die Patienten/Nutzer, die Erweiterung dieses Rahmens durch weitere Funktionen und Interaktionen gehen über den vom Gesetzgeber vorgesehen Rahmen hinaus.
CSPMEDI-Plan ist eine neuartige Anwendung für Tablets, über die Patienten und behandelnde Ärzte untereinander kommunizieren können. Die Betonung liegt hier auf können, denn es obliegt ausschließlich der Entscheidung des Patienten, ob er seine Gesundheitsdaten mit dem Arzt oder der Ärztin teilt.
Für den Patienten aber ist der bundeseinheitliche Medikationsplan das zentrale Element und gleichzeitig die gemeinsame Oberfläche der App CSPMEDI-Plan. Auf dieser Oberfläche werden alle Dienste und Funktionen zur autonomen Verwaltung zusammengeführt, die direkt mit der Medikation des Patienten zusammenhängen.
Die App steuert nicht nur den kommunikativen Austausch zwischen Patient und Arzt, sondern sie ist auch ein Managementinstrument für den Patienten. Sie stellt weiter eine tragende Rolle im Kontext der Gesundheitsbildung dar. All die genannten Sichtweisen basieren auf den Säulen Praxisbezug, Handlungsrelevanz und Verhaltensänderung. Die genannten Säulen sind auch die Garanten der primären Prävention für die Arzneimitteltherapiesicherheit. Daraus resultiert, dass CSPMEDI-Plan keine statische Anwendung ist, sondern ein dynamisches, interaktives Vorsorge-, Präventions- und Kommunikationsinstrument.
Im Bildungskontext ist vielfach vom immersiven Eintauchen in eine Thematik die Rede. Dabei wird bei diesem Terminus vorwiegend auf Augmented Reality und Virtual Reality abgehoben.Es ist aber für ein immersives Eintauchen in eine Thematik nicht erforderlich, auf die hinter den genannten Begriffen stehenden Technologien zuzugreifen.Hierfür ist eine persönliche Betroffenheit völlig ausreichend, denn sie ermöglicht ein direktes und unmittelbares Erleben in Bezug auf die eigene Erkrankung.
Die Konzeption und Infrastruktur der App berücksichtigt ergänzend auch die Aspekte von §291a SGB V und §68 SGB V. Die genannten Paragraphen betreffen das Verbot für die Weitergabe medizinischer Daten an Dritte. Damit wird vorgegeben, dass persönliche Gesundheitsdaten nur auf Wunsch des Patienten, Ärzten, Krankenkassen, Staatlichen Behörden oder Versicherungen zur Verfügung gestellt werden. Der Patient kann sich somit selbst vor einer von ihm nicht gewollten Weitergabe seiner Daten schützen.
Messmethoden der medikamentösen Therapietreue
Bei der Entwicklung des Adhärenz-Moduls, wurde zum Erlangen und zur Festlegung der dafür erforderlichen Funktionen, eine ausführliche Literaturrecherche durchgeführt. In einem Scoping Review wurde zuerst die vorhandene Begriffsvielfalt zu zum Thema Therapietreue ermittelt. Dafür wurde auf die Datenbank iAdhärenz zurückgegriffen. Die iAdherence Datenbank ist ein Repository, die alle von Fachleuten begutachteten Arbeiten enthält. Diese Datenbank wird monatlich aktualisiert, indem unter Verwendung eines systematischen Ansatzes Firmenunterlagen, und in den gängigsten medizinischen Datenbanken z.B. MEDLINE nach neuen Publikationen und Studien zum Thema Adherence gesucht wird. Darin enthalten sind Studien, bei denen die Einnahme von Medikamenten elektronisch erfasst wurden. In dieser sind über 1.300 begutachtete Studien und Publikationen über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren (1979 bis heute) enthalten. Mit diesem Scoping Review konnte nicht nur eine Orientierung über die Begriffsvielfalt herausgearbeitet werden, sondern auch die Frage geklärt werden, Welche Methoden werden bei der Messunf der medikamentösen Adhärenz angewendetet.Von den über 1.300 Studien und Publikationen wurde dann ein Score der am häufigsten zum Einsatz kommeneden Methoden zur Messunf der Therapietreue gebildet. Der Schwerpunkt der in diesen Studien und Publikationen erwähnten Messmethoden bezieht sich auf den Vergleich der Methode "Medikation-Event-Monitoring-System" (MEM -System) mit den verschiedenen anderen Methoden wie Self-Report, Pill-Count Methode, Pharma-Refill Methode.
Die Messung der Adhärenz einer medikamentösen Behandlung, kann sowohl über objektive als auch über subjektive Verfahren gemessen werden.Grob unterschieden werden kann zwischen direkten Methoden und indirekten Methoden. Letztere umfassen Einschätzungendurch Angehörige, Ärzte, Tagebücher, Pateinteninterviews oder Fragebögen, Medikamententagebücher, klinische ergebnisse, Tablettenzählmethode und /oder elektronische Überwachung. Die Auswertung einer Vielzahl an Srudien und Publikationen aus der IAdhärenzdatenbank hat ergeben, dass es keinen Goldstandard für die Messung der Therapietreue gibt. Es lässt sich lediglich ein Ranking der am meisten angewendeten Methoden feststellen. Bei diesem Ranking liegen die Indirekten Methoden, wie zuvor erwähnt, an vorderster Stelle.
Auf das ermittelte Ranking wurde bei der Entwicklung der Messung der Therapietreue zurückgegriffen. und die Methoden des "Medikations- Event-Monitoring-System", der Self-Report, die Pill-Count-Methode sowie die Pharma-Refill Methode für die Integration in das Adhärenz-Modul der App ausgewählt. Die gewählten Methoden sind somit die Grundlage des Adhärenz-Moduls und wurden automatisiert in die App integriert. Das Medikamententagebuch bzw. das Medikamenteneinnahmeprotokoll ist die einzige Anwendung mit der der Patient bzw. die Patientin konfrontiert wird.
Ergebnisse der Adhärenzmessung
Das Adhärenzmodul bietet bei der Erfassung der Therapietreu eine Besonderheit, die so in keiner Medical-App vorhanden ist. Die Ermittlung der Adhärenz erfolgt granular auf Medikamentenebene. Hier spielen der Medikamenten-Erfassungsdialog und die Verordnungsdokumentation Hand in Hand. Denn die Protokollierung einer Medikamenteneinnahme kann nur vei einer aktivierten Verordnung erfolgen.
- Die Verordnung von Rezepten ist in der Praxis nicht einheitlich. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Kostenträger (Krankenkassen) mit den Pharmaherstellern individuelle Verträge haben, die für bestimmte Medikamente Rabatte vorsehen. Das hat zur Folge, dass nicht sichergestellt werden kann, dass ein verordnetes Rezept vom gleichen Hersteller (z.B. Generika anstatt Original) in der Apotheke ausgehändigt wird. Weiter gib es, abhängig vom Medikament, mehrere Originalhersteller mit identischen Daten in Bezug auf Wirkstoff, Stärke und Form.
Auch kann nicht sichergestellt werden, dass jedes Mal, von ein und demselben Medikament die Gleiche Packungsgröße in der Apotheke ausgehändigt wird. All die genannten Aspekte wirken sich somit auf die PZN-Nummer aus. Denn jede Medikamentenverpackung hat bis auf den Produktcode eindeutige Sicherheitsmerkmale die der jeweiligen Verordnung zugewiesen werden muss. Dies unabhängig davon, ob der Wirkstoff, die Packungsgröße, und die Stärke identisch sind.
Auf Basis dieser Gesamtauswertung können nun die Adhärenz-Parameter Taking-Adhärenz, Timing Adhärenz, Dosing-Adhärenz und die Drug-Holidays berechnet werden.Die Taking-Adhärenz gibt an, welcher Anteil an verordneten Dosen eines Medikaments eingenommen wurden. Basis hierfür ist das Medikamenten-Einnahmeprotokoll.
Bei der Taking-Adhärenz wird nicht unterschieden, ob die Einnahme des Medikaments innerhalb der im Dosierschema vorgegebenen Zeitfensters (morgens, mittags, abends und zur Nacht) eingenommen wurden oder ob die Einnahme der Medikamente außerhalb der vorgegebenen Zeitfenster erfolgte. In der Summe ergibt diese die tatsächliche Einnahme des Medikaments lt. Dosierschema.
Bei der Dosing-Adhärenz werden die Tage in Prozent angegeben, an denen der Patient bzw. die Patientin das Arzneimittel, wie im Dosierschema der entsprechenden Medikationszeile angegeben, eingenommen hat.
- Mit der ,,Dosing Adherence” verfügt das Monitoring über einen primären Zielparameter zurMessung der Adhärenz. Mit diesem Parameter wird die Einnahme eines Medikaments als Prozentsatz an Tagen definiert. Er spiegelt demnach die Regelmäßigkeit der täglichen Medikamenteneinnahmen wieder. Auch hier stellt die Halbwertszeit eines Wirkstoffes einen wesentlichen Faktor dar. Deshalb ist die regelmäßige Einnahme eine Voraussetzung für den Therapieerfolg.
- Dieser Parameter hat einen positiven Einfluss auf das Therapieergebnis und damit auf die Lebensqualität, die Mortalität und Morbitität der Patienten. Die Auswahl dieses Zielparameters erfolgte vor allem aus dem Grund, da mit ihm die Adhärenz objektiv messbar ist und einen wichtigen Bestandteil der Pharmazeutischen Betreuung darstellt.
Durch Berücksichtigung des Faktors Zeit kann beispielsweise ermittelt werden, welcher prozentuale Anteil an Dosen eines Medikaments innerhalb eines vorgegebenen Zeitintervalls eingenommen werden. Diese bezeichnet man als ,,Timing Adhärenz”. Grundlage für die Ermittlung der Timing-Adhärenz sind die in der entsprechenden Medikationszeile des Medikaments angegebenen Zeitfenster (morgens, mittags, abends bzw. zur Nacht) Diese Zeitfenster sind im Profil des Patienten bzw. der Patientin konfigurierbar und können somit den Lebensumständen sowie den Vorgaben des behandelten Arztes bzw. Ärztin angepasst werden.
- Es ist deshalb das Ziel der pharmazeutischen Betreuung eine möglichst hohe Timing Adherence zu erreichen. Hier ist anzumerken, dass die pünktliche Einnahme, also feste Einnahmezeiten, wichtig sind und vor allem die Einnahmezeiten mit festen Ritualen verbunden werden sollten, um ein Vergessen unwahrscheinlicher zu machen.
In der Legende der Grafik wird der Begriff „Drug Holidays“ mit „nicht eingenommen bezeichnet. Die Auswirkungen dieses Parameters beeinflusst nicht nur die „korrekte Einnahme“ des Medikaments, sondern auch die Berechnung der Resttage bis ein neues Rezept angefordert werden sollte, denn die nicht eingenommenen Tabletten des Medikaments sind ja noch vorhanden. Der Parameter hat somit direkte Auswirkungen auf die Taking Adhärenz, da ja mehr Tabletten noch vorhanden sind als bei korrekter Einnahme.
- Drug Holidays dienen dazu, das Einnahmeverhalten der Patienten weiter zu präzisieren.
Mit dem hier zugrundeliednden Konzept ist es nun möglich, nicht nur den Verbrauch pro Verordnung zu erfassen, sondern auch den ermittelten Gesamtverbrauch des Medikaments über den zeitlichen Verlauf. Da im Verlauf einer Langzeittherapie einer chronischen Krankheit (z.B. Blutdruck) nicht immer das Originalmedikament verordnet wird, sondern auch Generika, kann der Gesamtverbrauch präzise auf Originalmedikament oder Generika aufgeteilt werden. Dieser Aspekt wird auch grafisch berücksichtigt. Somit lassen sich auch mit Datum und Uhrzeit Rückschlüsse auf Unverträglichkeiten und Wechselwirkungen bei einem Wechsel des Medikaments ziehen.